Nach der Diagnose, Therapie

Triple-Osteotomie: Was Du über die OP wissen musst

Wird eine Hüftdysplasie erst im Erwachsenenalter erkannt, ist eine Operation oft unausweichlich, um (weitere) Schäden am Hüftgelenk zu vermeiden. In vielen Fällen erfolgt dann eine Triple-Osteotomie, auch Dreifache Beckenosteotomie genannt. Wissenswertes zur OP und Nachbehandlung.


Vorab ein Hinweis
Ich bin keine Medizinerin, bemühe mich aber selbstverständlich um Richtigkeit aller Angaben und nenne meine Quellen. Sollte ich jedoch Fehler gemacht oder Aspekte unzureichend erklärt haben, bitte ich insbesondere mitlesende Orthopäd:innen um Meldung. Vielen Dank!

Hüftdysplasie. Bis heute werden viele junge Erwachsene und sogar Menschen jenseits der dreißig von dieser Diagnose überrascht. Eigentlich kann man die Hüftfehlbildung bereits im Babyalter feststellen und frühzeitig behandeln. Das war aber nicht immer so. Die Hüftsonografie bei Säuglingen, die das sichere Erkennen der Fehlbildung ermöglicht, ist in Deutschland erst seit 1996 fester Bestandteil der Vorsorgeuntersuchung U3. In den Jahren zuvor blieb sie bei vielen Patient:innen unerkannt. Vor 1984, bevor es den Hüftultraschall für Babys gab, wurden sie laut dem Orthopäden Dr. Matthias Pothmann, Autor eines Hüftdysplasie-Leitfadens, sogar in 50 Prozent aller Fälle übersehen.

Hüftdysplasie: Wann ist eine OP ratsam?

Bei Erwachsenen wird die Fehlstellung häufig erst dann mittels Röntgenaufnahme festgestellt, wenn sie sich wegen Schmerzen in einer orthopädischen Praxis einfinden. Die Beschwerden sind möglicherweise der Überlastung von Bändern, Sehnen, Muskeln und Kapselapparat geschuldet, sie können aber auch ein Anzeichen dafür sein, dass der Hüftgelenkknorpel aufgrund der Fehlstellung bereits Schaden genommen hat. Jetzt gilt es, den Verschleißprozess aufzuhalten. Unbehandelt kann eine Hüftdysplasie nämlich zu einer verfrühten Coxarthrose – Hüftgelenksarthrose – führen, die sehr schmerzhaft ist und in späteren Stadien eventuell nicht mehr gelenkerhaltend behandelt werden kann. Dann brauchen Betroffene im Extremfall schon in jungen Jahren einen Hüftgelenksersatz.

Klinikum Dortmund führend bei Hüftdysplasie
Klinikum Dortmund in der Beurhausstraße. Hier wurde die Triple-Osteotomie Mitte der 70-er Jahre entwickelt

Wann operiert werden muss, ist dennoch individuell unterschiedlich, wie Dr. André Zahedi, Leitender Oberarzt am Klinikum Dortmund, in diesem (im Ganzen sehenswerten) Vortrag erläutert: Dringlich wird ein Eingriff bei einer Dezentrierung des Hüftgelenks oder wenn die Arthrose schon begonnen hat. Bei leichteren Hüftdysplasien sei jedoch die Lebenssituation der Patient:innen zu berücksichtigen: Eine Berufsausbildung beispielsweise könne dann unter Umständen erst beendet werden. Bei Frauen sei auch die mit zunehmenden Alter sinkende Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft bzw. die Familienplanung bei der Festlegung des OP-Termins zu bedenken.

Behandelt wird die Hüftdysplasie mit einer Korrekturoperation der Hüftpfanne. Es gibt mehrere Eingriffe, die letztlich alle die richtige Überdachung des Hüftkopfes durch die Hüftpfanne zum Ziel haben. Einzelheiten und Dauer der Nachbehandlung sind je nach Verfahren, Operateur:in und individuellen Faktoren unterschiedlich. Eine Übersicht über gängige Beckenosteotomien und Kliniken, an denen sie zum Einsatz kommen, stellt die Seite hueftdysplasie-tipps.de (eine Seite, die auch ein Forum und Erfahrungsberichte bietet) hier als PDF zur Verfügung. (Hierzu aber ein Hinweis: Inzwischen wird die Beckenosteotomie an weitaus mehr Kliniken schwerpunktmäßig durchgeführt. Eine aktualisierte Übersicht kann man als Mitglied der Facebook-Gruppe „Hüftdysplasiegruppe www.jankla.de“ unter „Dateien“ einsehen.)

Triple-Osteotomie Röntgenbild 5 Schrauben
Ein Röntgenbild nach meiner Dreifachen Beckenosteotomie

Neben der „Dreifachen Beckenosteotomie“ ist vor allem die PAO (Periazetabuläre Osteotomie, auch „Beckenosteotomie nach Ganz“) als OP-Methode etabliert. Einen Überblick über diese andere Hüftdysplasie-OP gibt es hier.

Triple-Osteotomie nach Tönnis und Kalchschmidt: Was passiert bei der OP?

Hier geht es nun aber um die Triple-Osteotomie nach Tönnis und Kalchschmidt. Mit dieser Hüftdysplasie-OP werden nach wie vor viele betroffene Erwachsene behandelt. Sie kann auch bei schon beginnender Arthrose noch gute Erfolge erzielen.

Die „Dreifache Beckenosteotomie“, wie sie ebenfalls genannt wird, wurde Mitte der 70-er Jahre an den Städtischen Kliniken Dortmund (heute Klinikum Dortmund) von Dietrich Tönnis unter Mitwirkung von Klaus Kalchschmidt entwickelt. Meines Wissens nach ist das Klinikum Dortmund bis heute das Krankenhaus in Deutschland, in dem dieser Eingriff am häufigsten vorgenommen wird.


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Bei der Operation werden alle drei Beckenknochen, die die Hüftpfanne bilden – nämlich Sitzbein, Schambein und Darmbein – durchtrennt. Dann kann die Hüftpfanne in allen Ebenen so gedreht und geschwenkt werden, dass sie den Femurkopf (das obere Ende des Oberschenkelknochens, auch „Hüftkopf“) gut abdeckt.

Knochenschnitte bei der Dreifachen Beckenosteotomie
Hier sind die drei Knochenschnitte rot markiert. (Abb.:Original uploader was D.renard, svg by MichaelFrey, Pelvis Triple-Osteotomie, CC BY-SA 3.0)

Idealerweise kann man die Hüftpfanne so rekonstruieren, dass sie den Hüftkopf genau wie eine gesunde Pfanne überdacht. Der erste Knochenschnitt wird in Seitenlage am Sitzbein vorgenommen, anschließend folgen die Durchtrennung des Schambeins und Darmbeins in Rückenlage. Wie genau Operierende vorgehen, erklärt Dr. Zahedi vom Klinikum Dortmund in diesem Video.

Die Pfanne wird mit Schrauben, manchmal zusätzlich Drähten, fixiert. Das Metall – in der Regel vier Schrauben – wird nach einem Jahr wieder entnommen.

Drei Knochenschnitte, drei Narben

Für die Knochenschnitte sind drei Hautschnitte notwendig. Nach einer Triple-Osteotomie hat man entsprechend drei Narben. Die längste der drei Narben verläuft über den Beckenkamm, eine zweite an der Leistenbeuge entlang, die dritte befindet sich am Po. In der oben verlinkten Übersicht mit OP-Methoden und Kliniken sind auch die Narben und Narbenlängen eingetragen. Heute sind sowohl die Narbe am Beckenkamm als auch die am Po meiner Erfahrung nach kürzer als dort angegeben (Beckenkammnarbe: 10,5 statt 16 cm, Narbe am Po: 7 statt 10 cm).

Die Triple-Osteotomie findet unter Vollnarkose statt, die Dauer der OP beträgt heute zwei bis vier Stunden.

Komplikationen

Die Dreifache Beckenosteotomie ist ein großer Eingriff und birgt wie jede Operation Risiken, über die Patient:innen zuvor umfassend aufgeklärt werden. Speziell bei der Triple-Osteotomie sind Verletzungen der Hüfte selbst sehr selten. Bei Männern besteht die Gefahr, dass die Samenstränge oder nebenliegende Nerven und Gefäße verletzt werden könnten. Generell kommt es seltener zu Reizungen und Verletzungen von Nerven, u.a. des Ischias- und des Peroneusnervs, die vorübergehende Sensibilitätsstörungen und auch Muskelschwächen hervorrufen können. (Das ist auch mir passiert, ich trug bei meiner zweiten Triple-Osteotomie eine Peroneusparese – eine Fußheberschwäche – davon und berichte hier ausführlich von meinen Erfahrungen.)

Im Zimmer nach der Triple-Osteotomie im Klinikum Dortmund
Nach meiner Triple-Osteotomie links im Klinikum Dortmund

Nach der OP können Wundheilungsstörungen und -infektionen, Thrombosen, Embolien oder andere Gerinnungsstörungen auftreten. Viele Patient:innen haben Gefühlsstörungen an der Außenseite des Oberschenkels, die in den meisten Fällen aber von allein zurückgehen.

Es können Knochenheilungsstörungen auftreten, dazu zählt auch eine Schambein-Pseudarthrose, bei der das Schambein „nicht knöchern, sondern bindegewebsartig“ zusammenwächst. In so einem Fall muss noch mal operiert werden. Außerdem kommt es häufiger vor, dass die eingesetzten Schrauben brechen, auch dann muss eventuell erneut operiert werden.

Einige Patient:innen haben nach der OP eine Beinlängendifferenz. In der Regel bildet diese sich zurück, wenn sie wieder belasten können. Zu guter Letzt klagen einige Betroffene, dass sie die durch die Schrauben verursachten Gewebsreizungen spüren können.

Hat man nach der Triple-Osteotomie Schmerzen?

Betroffene müssen keine starken Schmerzen befürchten. In der Regel kommt bei der Operation eine Periduralanästhesie (PDA) zum Einsatz. Der Periduralkatheter wird schon vor der eigentlichen Narkose gelegt und verbleibt für die postoperative Schmerzbehandlung für mehrere Tage im Rücken. Über eine „Schmerzpumpe“, die regelmäßig von Anästhesist:innen überprüft wird, kann weiterhin Schmerzmittel gegeben werden. Parallel dazu bekommen Operierte Schmerzmittel in Tablettenform, sodass der schonende Übergang von der Schmerzpumpe zu leichteren Schmerzmitteln gewährleistet werden kann.

Wie lange Schmerzmittel eingenommen werden müssen, ist von Patient zu Patient unterschiedlich. In der Regel reichen nach der Entlassung leichte Schmerzmittel aus, die nach einigen Wochen auch abgesetzt werden können.

Dreifache Beckenosteotomie: Nachbehandlung braucht Zeit

Noch mal der Hinweis: Art und Dauer der Nachbehandlung können abweichen. Es gibt Kliniken, die nach einer Triple-Osteotomie auf eine kürzere Nachbehandlung setzen. Hier geht es um die „lange Nachbehandlung“ infolge der Dreifachen Beckenosteotomie nach der Dortmunder Technik.

Nach der OP wird das Bein der operierten Seite in einer Schiene gelagert. Ab dem zweiten Tag können Patient:innen erste leichte Übungen im Bett machen, dazu zählt das Anziehen und Absenken der Füße für die Durchblutung und das Nach-Innen-Drehen des Beins. Aufstehen ist erst nach einigen Tagen möglich. Das Bein darf nicht belastet und die Hüfte sechs Wochen lang nur bis 60 Grad gebeugt werden. Das bedeutet, dass Patient:innen sechs Wochen lang nicht aufrecht sitzen können. Ebenso lange ist es auch nicht erlaubt, sich auf den Bauch zu drehen oder auf der (gesunden) Seite zu schlafen.

Patienten lernen im Krankenhaus, wie sie aus der Lage in den Stand kommen und trainieren nach und nach vorsichtig verschiedene Muskelgruppen. Sie lernen später auch den richtigen und sicheren Gang an Gehhilfen inklusive Treppensteigen. Ab der OP muss täglich Heparin zur Thrombosevorsorge gespritzt werden. Die Spritzen müssen auch nach der Entlassung zu Hause weiter gegeben werden – und zwar so lange, bis die vollständige Mobilität wieder erlangt wird.

Thrombosespritze nach Triple-Osteotomie
Und täglich grüßt die Heparinspritze: Die Thrombosevorsorge muss so lange erfolgen, bis Patient:innen nicht mehr an Gehhilfen laufen

Der Krankenhausaufenthalt beläuft sich auf zehn bis 14 Tage. Am letzten Tag werden die Fäden gezogen. Patienten werden nach der Entlassung in der Regel liegend mit einem Krankenwagen nach Hause transportiert, da die Hüfte nicht mehr als 60 Grad gebeugt werden darf.

Wie geht es zu Hause weiter?

Für zu Hause bekommen Operierte ein höhenverstellbares Pflegebett und eine Toilettensitzerhöhung verordnet. Das Pflegebett behalten sie zehn bis zwölf Wochen lang. Wichtig ist, dass Patient:innen die Übungen, die sie im Krankenhaus gelernt haben, mehrfach täglich wiederholen. Anleitungen zu den Übungen sind bei YouTube verfügbar.

Sechs Wochen nach der OP darf die Hüfte wieder 90 Grad gebeugt werden, Patient:innen also wieder aufrecht sitzen. Die Toilettensitzerhöhung brauchen sie dann nicht mehr. Nach der 6. Woche muss ein Röntgenbild erfolgen. Sofern die Knochenheilung zufriedenstellend ist, kann eventuell schon mit einer Teilbelastung von zehn Kilogramm begonnen werden. Ab der 12. Woche kann man weiter aufbelasten. Dann vergehen noch vier bis sechs Wochen zur Vollbelastung.

Der vollständige Muskelaufbau nach einer Triple-Osteotomie ist mühsam, langwierig – und ungeheuer wichtig. Eine zu schwache Muskulatur kann nicht nur zu Schmerzen führen, sondern auch zur Folge haben, dass man hinkt und nicht flüssig laufen kann. Drei Monate nach der OP beginnen Patienten deshalb mit einem intensiven Muskeltraining bei der Physiotherapie. Eine Reha kann den Wiederaufbau beschleunigen und wird in einigen Fällen verordnet.

Die oben stehenden Informationen zur Schmerztherapie und Nachbehandlung habe ich auch einem Merkblatt entnommen, das das Klinikum Dortmund hier als PDF bereitgestellt hat.

Triple-Osteotomie: Wie lange krank?

Eine Antwort lässt sich schwer verallgemeinern. Wie lange man nach einer Dreifachen Beckenosteotomie krank ist, hängt von der Schwere der Hüftdysplasie ab und davon, ob OP und Nachbehandlung komplikationslos verliefen oder nicht. Patient:innen, die im Anschluss noch eine Reha machen, fallen möglicherweise etwas länger aus.

Idealerweise erreicht man die Vollbelastung nach 16 bis 18 Wochen – das entspricht allein 4 bis 4,5 Monaten mit Gehhilfen, bevor man diese nach und nach weglassen kann. Die Muskeln müssen aber erst wieder richtig aufgebaut sein, bis Patient:innen sich ohne Krücken sicher fühlen.

Triple-Osteotomie Krücken
Idealerweise ist man nach der Tripleosteotomie vier bis viereinhalb Monate an Gehhilfen unterwegs

Zur besseren Orientierung gebe ich hier meine eigenen Erfahrungen wieder: Ich selbst war nach meiner Triple-Osteotomie links insgesamt fünfeinhalb Monate krankgeschrieben, bin dann aber auch direkt in Vollzeit wiedereingestiegen.

Hier kannst Du meine persönlichen Erfahrungsberichte zur Triple-Osteotomie rechts (2006) und links (2017) nachlesen.

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